Die Welt
" [...] Polemiker in ostdeutscher
Provinz fänden in diesem fast vergessenen Theatertext sicher ein
paar Stilvorlagen vor, um die Landnahme von Wessies nicht nur in
Weimar assoziativ in die Nähe des Emanzipationskampfes rücken
zu lassen, den die chinesischen Kulis am Ufer des Yangtse gegen das
Kapital unter Einsatz des Lebens (und bei Tretjakow mit Hilfe
theoriefester bolschewistischer Agitation) auszufechten beginnen im
Gefolge der Revolution in Rußland. Aber die Inszenierung von
Christian von Treskow [...] befördert derlei Fantasie eher nicht
– abgesehen davon, daß der Vorarbeiter der Schiffer von
Wanxian schon ziemlich derbe thüringelt. Nein, wichtig an diesem
lauthals herausspektakelten Finale der Saison ist die Vorgeschichte.
Jena leistet sich, was selten ist in Betrieb und Routine des
Theaters: nämlich deutliche Behauptungen. [...] All die
Reisegruppen profunder Festival-Juroren, wie sie alljährlich von
Berlin oder Mülheim aus durch die Lande ziehen, haben das
Theaterhaus bislang schmählich übersehen. Zum eigenen
Schaden. Und zu Unrecht. Denn anders als unter den aktuellen
Laut-Sprechern ambitiös-neorealistischer Theorien, wie etwa an
der Berliner Schaubühne oder am Frankfurter TAT, folgt die
innere Erneuerung in Jena sehr organisch den Wegen, wie sie eben nur
das Theater möglich macht – dem Gedanken folgend, ohne sich
über Gebühr einengen zu lassen. [...] ";;;"0
Michael Laages